Emil Julius Gumbel

Der Heidelberger Mathematiker Emil Julius Gumbel veröffentlichte 1924 die Schrift "Vier Jahre politischer Mord", in der nachgewiesen wurde, dass weitaus mehr Linke von Rechten ermordet wurden als umgekehrt, dass aber die Linken zu weitaus höheren Strafen verurteilt wurden als die Rechten: Die deutsche Justiz hatte zweierlei Maß. Gumbels Schrift änderte daran leider nichts, ihm selbst wurde schließlich auf Betreiben nationalsozialistischer Studenten die Lehrerlaubnis entzogen, er ging ins Exil. Dennoch ist der Nachweis von Ungerechtigkeit kein bloßer Kommentar zur Geschichte, sondern kann hin und wieder etwas ändern, und wäre es nur, weil ein Ungerechter ungern als solcher dasteht.

Mittwoch, 18. April 2018

Gift 2, ein Nachtrag

Außer verlässlichen internationalen Institutionen bräuchte eine friedlichere Welt auch guten Journalismus, der das allgemeine Vertrauen in diese Institutionen begründen könnte oder aber auch die Institutionen, die es nicht verdienen, anprangern. Guter Journalismus ist auf eigene Recherchen angewiesen, es genügt nicht, dieser oder jener Quelle zu glauben, zumal nicht, wenn so viele ein Interesse daran haben, falsche Quellen in die Welt zu setzen.

Robert Fisk war als vielleicht der erste westliche Journalist nach dem behaupteten Angriff mit chemischen Waffen in Douma. Sein Bericht schließt einen solchen Angriff noch nicht aus, schwächt aber bereits dessen wahrscheinlichkeit. Fisk war als einziger westlicher Journalist Zeuge des Massakers in Hama, das Assads Vater veranstalten ließ. Er ist nicht dafür bekannt, Massaker schönzureden, aber lässt sich auch nicht von einer vorgefassten Meinung dazu nötigen, ein Massaker zu vermuten.

Falls es keinen chemischen Angriff durch die Regierung in Douma gegeben hat, war die Begründung der USA, Frankreichs und des vereinigten Königreichs für ihr Bombardement falsch. Warten wir's ab. Guter Journalismus könnte helfen, hier Klarheit zu schaffen. Fehlen dann noch die verlässlichen Institutionen. Erlogene Gründe für den Krieg gegen den Irak haben keine Prozesse, keine völkerrechtlichen Sanktionen nach sich gezogen. Hier würden erst recht keine Sanktionen folgen. Wir sind so gut, dass wir auch, wenn wir lügen und bomben noch gut sind. Wir können auch auf Verdacht Sanktionen verhängen; nur ein Schuft könnte gegen uns Sanktionen verhängen.

Die Chance, die sinnlosen Rüstungsausgaben der Welt für sinnvolle Entwicklungen, erneuerbare Energie, Gesundheit, Bildung zu verwenden, wird durch solches Verhalten vertan. Es gibt eine mentale Voreingenommenheit, die uns Sünden des Handelns strenger beurteilen lässt als Sünden der Unterlassung. Es ist aber falsch, anzunehmen, dass spätere Generationen nicht auf unsere Gräber spucken werden. Im Rückblick kann es schwerer wiegen, versäumt zu haben, die Welt zu verbessern, als es noch Zeit war. Man muss keine furchtbare Kassandra sein, um dieses 'als es noch Zeit war' mit Inhalt zu füllen.

Die gegenwärtige Politik mag auch nicht verkommener sein als die frühere, das wäre zuzugestehen. Aber sie gibt sich einen viel moralischeren Anstrich, und damit ist sie mindestens verlogener geworden.

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