Emil Julius Gumbel

Der Heidelberger Mathematiker Emil Julius Gumbel veröffentlichte 1924 die Schrift "Vier Jahre politischer Mord", in der nachgewiesen wurde, dass weitaus mehr Linke von Rechten ermordet wurden als umgekehrt, dass aber die Linken zu weitaus höheren Strafen verurteilt wurden als die Rechten: Die deutsche Justiz hatte zweierlei Maß. Gumbels Schrift änderte daran leider nichts, ihm selbst wurde schließlich auf Betreiben nationalsozialistischer Studenten die Lehrerlaubnis entzogen, er ging ins Exil. Dennoch ist der Nachweis von Ungerechtigkeit kein bloßer Kommentar zur Geschichte, sondern kann hin und wieder etwas ändern, und wäre es nur, weil ein Ungerechter ungern als solcher dasteht.

Mittwoch, 26. Oktober 2016

Gibt es Grenzen?

Ich zitiere einen Korrespondenten:

 -------------


Es gibt doch Grenzen.


Am 19.10.2016 strahlte Deutschlandfunk-Radio-Kultur in der Kindersendung folgenden Text aus:
[…] „Der russische Präsident Putin führt derzeit zwei Kriege. Einen in der Ukraine und einen in Syrien. Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Hollande wollen Putin dazu bewegen mit beiden Kriegen aufzuhören. Das wird wahrscheinlich nicht funktionieren, weil Putin sich nicht an internationale Regeln hält. Er ist der Ansicht, dass er den russische Einfluss in der Welt vergrößern muss und das auch mit Krieg. Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Hollande haben mehrfach gesagt, dass Putin in Syrien schwere Menschenrechtsverletzungen begeht. Die russische Luftwaffe bombardiert Krankenhäuser und Hilfskonvois der Vereinten Nationen. Deshalb fliehen viele Syrer mit ihren Familien nach Deutschland. Auch in der Ukraine kämpfen trotz eines Abkommens russische Soldaten. Wie man Putin davon abhalten kann, ist aber nicht klar. Man könnte ihn unter Druck setzen, in dem man Russland bestimmte Waren nicht mehr verkauft. Das nennt man Sanktionen. Aber dafür müssten sich alle Europäer einig sein und das sind sie zur Zeit nicht.“
Quelle: Deutschlandfunk – von Minute 0:50 bis 1:55
http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2016/10/19/kakadu_nachrichten_vom_19102016_drk_20161019_1500_eb3ea93a.mp3


Das scheint mir noch übler als Kohlers Berthold, und so hetzt man Kinder auf.
Widerlich.

--------------

 Ja, das ist noch übler.  Ob die Länder, auf dir wie mit dem Finger als Despotien zeigen, eine so gute Kinderpropagandaabteilung in ihrem Staatssender haben?

Vielleicht müssen wir mal eine "Sendung mit der Maus" über die Propagandabteilung machen.

Das ist die Propagandabteilung, die will, dass die Leute etwas bestimmtes denken und nichts anderes denken. Und das ist die Frau, die aus allen Nachrichten die Hälfte wegschneidet, die zu falschen Gedanken verleiten könnte. Und das ist der Mann, der die Nachrichten spricht. Und das ist der Studiogast, Frau Göring-Eckart. Die kriegt keinen zurechtgeschnittenen Text, sondern kann ihn selber. Und das sind die Bilder von Zivilisten, die die ukrainische Armee, bzw. die türkische Armee, die US-Luftwaffe und die die mit ihr verbündeten Aufständischen zerstückelt haben. Und das sind die Bilder von Zivilisten, die die russische Luftwaffe  zerstückelt hat. Huch, jetzt habe ich doch glatt die beiden Bilderhaufen verwechselt. Naja, macht nichts, sehen ja auch gleich aus.  Das ist jedenfalls der Mann, der einen der beiden Stapel wegschmeißt. So. Und jetzt sind nur noch Bilder der russischen Verbrechen da.  Liebe Kinder, tschüs!

Samstag, 22. Oktober 2016

Lobenswerter Rainer Hermann

In der FAZ, in der ja der hier häufiger vorgeführte Berthold Kohler sein einseitiges Unwesen treibt, gibt es noch gute Autoren. Am vergangenen Montag, dem 17. Oktober 2016, war ein Leitkommentar von Rainer Hermann zu lesen "Aleppo ist aufgegeben". In trockenen Worten beschreibt Hermann den Krieg in Syrien, den Kampf um Aleppo und die diesbezüglichen Rollen Russlands und der USA. Ob ich ihm im einzelnen beipflichte, spielt keine Rolle für die Wertschätzung, die eine Darstellung jenseits von einseitigem Moralisieren verdient, eine Darstellung, die darauf verzichtet, die Guten (uns) und die Bösen auszumachen. Hermann schreibt weiter:
Erfolgversprechende Optionen bieten sich Washington in Syrien ohnehin nicht mehr. Selbst wenn Amerika den Rebellen Waffen lieferte, gäbe es keinen Weg, sie nach Aleppo zu bringen; Sanktionen gegen Moskau wegen der Kriegsverbrechen der russischen Luftwaffe und der syrischen Armee kommen schon deswegen nicht in Betracht, weil sie dann auch gegen Saudi-Arabien wegen dessen Kriegsverbrechen im Jemen verhängt werden müssten; zudem ist eine Flugverbotszone über Nordsyrien keine Option, weil Moskau den Abschuss eines russischen Flugzeugs als Kriegserklärung deuten könnte.
Chapeau! Hermann sei bedankt, diesen Satz den Lesern und Leserinnen der FAZ vorzuführen, die sonst nur zu oft die Karikaturen Kohlers oder von Altenbockums an der nämlichen Stelle lesen dürfen. Kriege gegen Aufständische, die sich zwischen Zivilisten befinden, pflegen mit Verbrechen einherzugehen, wer immer sie nun führen mag. Und auch die Aufständischen begehen üblicherweise selber welche. Durch willkürliche Fokussierung auf die einen oder anderen Verbrechen, können die USA ein treuer Verbündeter Saudi-Arabiens und ein erbitterter Gegner Syriens sein. Hermanns Satz lässt in vollendeter Schlichtheit den moralischen Schein solcher Positionen zerbröckeln.