Thomas de Maizière hat letzte Woche festgestellt, Afghanistan stehe "im laufenden Monat und
auch im Verlauf des ganzen Jahres inzwischen auf Platz zwei der Herkunftsländer. Das ist
inakzeptabel."
"Wir sind uns einig mit der afghanischen Regierung: Das wollen wir nicht."
Schließlich helfe Deutschland seit Jahren (durch Militär, Polizei, und, klar!, Brunnenbauen, ein blühendes Land voller Brunnen ist's inzwischen). "Da kann man erwarten, dass die Afghanen in ihrem Land bleiben."
Wie idiotisch diese Sätze angesichts der Verhältnisse in Afghanistan ist, wurde in den Medien schon kommentiert. Da nun aber durch das wunderbare Internet nicht zählt, ob etwas gesagt wurde, sondern vor allem, ob es häufiger als etwas anderes gesagt wurde und bei Google oben steht, sei es hier noch mal gesagt:
Thomas de Maizière ist offenbar verblödet oder hält uns dafür. Berichte wie der Länderbericht 2015 von Amnesty International zu Afghanistan schildern eindeutig ein desolates Land, aus dem zu fliehen es viele gute und asylrechtlich relevante Gründe gibt. Deutschland hat zur Legitimierung des Krieges gegen/in Afghanistan, an dem es beteiligt war, gerne die Berichte über die Menschenrechtssituation unter den Taliban herangezogen. Für viele, auch viele Frauen ist das Leben jetzt weder besser noch sicherer.
Was ist der Sinn dieser offenbar falschen Sätze? Nun, in der gegenwärtigen Good-Cop-Bad-Cop-Arbeitsteilung muss Merkel ein wenig Humanität mümmeln und de Maizière den immer schon bräunlichen rechten Rand der CDU/CSU-Wähler beruhigen.
Vor einigen Tagen wurde das Mahnmal zur Erinnerung an die von den Nazionalsozialisten ermordeten Sinti und Roma durch Beschmieren mit einem Hakenkreuz geschändet. Alle diejenigen, die die Abschiebung der 'Flüchtlinge aus dem Westbalkan' betreiben, von denen, wie jeder weiß aber bei dieser Gelegenheit unerwähnt lässt, viele Roma sind, haben dann brav gegen diesen Akt der Barbarei protestiert.
Wer zweierlei Maß auf einerlei Gegenstände anwendet kann noch jede Ungerechtigkeit rechtfertigen und jedes Feindbild stützen. Ein Maß für unsere Freunde, ein anderes für unsere Feinde. Hier sollen einige Fälle von "zweierlei Maß" dokumentiert werden, ein Wasserträgerdienst an der Gerechtigkeit als wirksamer Idee, auf die sich sogar die verpflichten, die sich an ihr vergehen.
Emil Julius Gumbel
Der Heidelberger Mathematiker Emil Julius Gumbel veröffentlichte 1924 die Schrift "Vier Jahre politischer Mord", in der nachgewiesen wurde, dass weitaus mehr Linke von Rechten ermordet wurden als umgekehrt, dass aber die Linken zu weitaus höheren Strafen verurteilt wurden als die Rechten: Die deutsche Justiz hatte zweierlei Maß. Gumbels Schrift änderte daran leider nichts, ihm selbst wurde schließlich auf Betreiben nationalsozialistischer Studenten die Lehrerlaubnis entzogen, er ging ins Exil. Dennoch ist der Nachweis von Ungerechtigkeit kein bloßer Kommentar zur Geschichte, sondern kann hin und wieder etwas ändern, und wäre es nur, weil ein Ungerechter ungern als solcher dasteht.
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