Emil Julius Gumbel

Der Heidelberger Mathematiker Emil Julius Gumbel veröffentlichte 1924 die Schrift "Vier Jahre politischer Mord", in der nachgewiesen wurde, dass weitaus mehr Linke von Rechten ermordet wurden als umgekehrt, dass aber die Linken zu weitaus höheren Strafen verurteilt wurden als die Rechten: Die deutsche Justiz hatte zweierlei Maß. Gumbels Schrift änderte daran leider nichts, ihm selbst wurde schließlich auf Betreiben nationalsozialistischer Studenten die Lehrerlaubnis entzogen, er ging ins Exil. Dennoch ist der Nachweis von Ungerechtigkeit kein bloßer Kommentar zur Geschichte, sondern kann hin und wieder etwas ändern, und wäre es nur, weil ein Ungerechter ungern als solcher dasteht.

Freitag, 26. Juli 2013

Lob des ABER

Ein schönes, und nicht leicht zu fassendes "aber" findet sich in der folgenden kleinen Charakterschildung aus Steven Runcimans Geschichte der Kreuzzüge:
Er [Humbert II. von Vienne] war ein schwacher und eitler Mann, aber von echter Frömmigkeit beseelt und ohne persönlichen Ehrgeiz.
 Besagter Humbert unternahm 1345 einen ausnehmend sinnlosen Kreuzzug.

 In der Politik kann man das Wort "aber" zur Relativierung von allem und jedem verwenden, zur Ausflucht gar aus den Konsequenzen eigener Handlungen und Aussagen. Das Wort "aber" lässt ja meistens offen, wie nun das, was sich so aberhaft gegenübersteht, zu verrechnen und bewerten sei. "Wir bedauern die Opfer der griechischen Bevölkerung, benötigen aber finanzielle Stabilität."

Wie auch immer, selbst in der Politik halte ich es für ein gutes Wort. Es ist die Klugheit, die "aber" sagt, ohne der Heuchelei nachzugeben, die die Hälfte verschweigt. Noch die Charakterlosigkeit, die den Widerspruch offenlegt, ist schöner anzusehen als die Heuchelei.

In Ägypten gab es einen Putsch, aber das ist uns aus verschiedenen Gründen recht.
 Zu dieser Position könnte man sich ohne Ekel stellen (ablehnend oder auch nicht.)

Stattdessen mutet man uns so etwas zu:
The government was removed by the army after protests of the people.
Der Satz ist geheuchelt, indem er sich an den unterstellten Willen des Volkes anbiedert, um etwas zu rechtfertigen, das den durch Wahl ermittelten Willen des Volkes bricht. Zugleich ist der Satz obskurantistisch, indem er Relevantes verschweigt. Es wäre ein Fehler zu glauben, dieser Satz ließe sich ohne weiteres  bejahen oder verneinen, da bei jeder Stellungnahme unklar bliebe, wie diese sich zu den verschwiegenen Fakten verhielte.  Der Satz bürdet dem Leser die Mühe auf, zusammenzutragen, was fehlt und nachzufragen, wie sich nun der Satz dazu verhalte. Tout court, c'est de la propagande, et de la pire.

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