Emil Julius Gumbel

Der Heidelberger Mathematiker Emil Julius Gumbel veröffentlichte 1924 die Schrift "Vier Jahre politischer Mord", in der nachgewiesen wurde, dass weitaus mehr Linke von Rechten ermordet wurden als umgekehrt, dass aber die Linken zu weitaus höheren Strafen verurteilt wurden als die Rechten: Die deutsche Justiz hatte zweierlei Maß. Gumbels Schrift änderte daran leider nichts, ihm selbst wurde schließlich auf Betreiben nationalsozialistischer Studenten die Lehrerlaubnis entzogen, er ging ins Exil. Dennoch ist der Nachweis von Ungerechtigkeit kein bloßer Kommentar zur Geschichte, sondern kann hin und wieder etwas ändern, und wäre es nur, weil ein Ungerechter ungern als solcher dasteht.

Sonntag, 16. März 2008

Unschuldsvermutung

"Einen absolut geschützten Rückzugsraum (das hat auch in Karlsruhe noch nicht jeder begriffen) für mutmaßliche Täter darf es dann nicht geben. Auf dieser Grundlage kann Deutschland mit Amerika zusammenarbeiten. Der Maßstab ist das Grundgesetz."

schreibt Reinhard Müller in der FAZ vom 12. März 2008. Da ein "mutmaßlicher", also nicht verurteilter Täter vor dem Gesetz noch als unschuldig gilt, hat er selbstverständlich ein Recht auf einen absolut geschützten Rückzugsraum, es sei denn niemand hätte dieses Recht. Es ging Müller um Terrorismus, scilicet "islamistischen". Für so einen kann man die Unschuldsvermutung, eine zentrale Idee des Rechtsstaats, schon einmal aufweichen, ohne dass der anständige Bürger davon betroffen wäre. Die Zeit ist anscheinend reif für zweierlei Maß in rechtlichen Fragen, die der Idee des Rechts selbst, nämlich der Gleichheit vor dem Gesetz, zuwiderlaufen. Es sei in diesem Zusammenhang erinnert an Schäubles Äußerung "Gefahrenabwehr kenne keine Unschuldsvermutung" und seine Bezugnahme auf ein "Feindstrafrecht", wie es etwa der Jurist Günther Jacobs vertritt. Die Entscheidung darüber, ob jemand auf normale Rechtsprozeduren Anspruch hat oder einem Ausnahmerecht unterworfen wird, fiele dann aber außerhalb des Rechts, wäre letztendlich politisch. Schäuble hat sich durch solche Äußerungen keineswegs aus der Debatte katapultiert, ebensowenig wie Reinhard Müller. Merkwürdig zurückhaltend das Presseecho, wenn man bedenkt, dass fast täglich die Beeinflussung der russischen Justiz durch die Politik beklagt wird.
Und nochmal: zweierlei Maß.

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