Emil Julius Gumbel

Der Heidelberger Mathematiker Emil Julius Gumbel veröffentlichte 1924 die Schrift "Vier Jahre politischer Mord", in der nachgewiesen wurde, dass weitaus mehr Linke von Rechten ermordet wurden als umgekehrt, dass aber die Linken zu weitaus höheren Strafen verurteilt wurden als die Rechten: Die deutsche Justiz hatte zweierlei Maß. Gumbels Schrift änderte daran leider nichts, ihm selbst wurde schließlich auf Betreiben nationalsozialistischer Studenten die Lehrerlaubnis entzogen, er ging ins Exil. Dennoch ist der Nachweis von Ungerechtigkeit kein bloßer Kommentar zur Geschichte, sondern kann hin und wieder etwas ändern, und wäre es nur, weil ein Ungerechter ungern als solcher dasteht.

Montag, 17. März 2008

Irak-Veteranen

Die Organisation Iraq Veterans Against the War veranstaltete am vergangenen Wochenende öffentliche Vorträge von Irak-Veteranen in Washington, die über www.ivaw.org live verfolgt werden konnten. Die Vortragenden, die im Irak oder in Afghanistan eingesetzt wurden, beschreiben, wie sich das Verhalten der Soldaten in den ersten Monaten des Dienstes verändert. Anfangs halten sie sich noch an die Rules Of Engagement, die bei der Begegnung mit möglichen Angreifern eine langsame Eskalation vorschreiben, etwa für ein sich näherndes Fahrzeug: Warnende Handzeichen, Gewehr in Anschlag nehmen, Warnschuss, Schuss auf die Reifen, Schuss auf den Fahrer. Angst und Nervosität auf der einen Seite, Vergeltungsdrang für verlorene Kameraden auf der anderen verkürzen diese Kette derart, dass es leicht einen unbewaffneten Zivilisten erwischen kann. Die Soldaten beschreiben weiter, dass die Antwort auf einen Schuss häufig "indiscriminate fire" aus allen Rohren ist, auch dabei kommt es auf getötete Zivilisten nicht mehr an. Andere Erfahrungen bestätigen Umfragen, denen zufolge die westlichen Armeen merhheitlich als Besatzer, nicht als Befreier gesehen wurden.

Die Rückkehrer haben schwer an ihren Erinnerungen zu tragen, manche stellen es so dar, dass sie Böses vollbracht haben, und doch in den entsprechenden Situationen nicht anders konnten. Manche dachten, sie kämen als Befreier, weil sie der Regierung der vereinigten Staaten geglaubt hatten. Diese Soldaten klagen die Regierung an, einen falschen Krieg begonnen zu haben und jetzt die Armee in einer unmöglichen Situation zu lassen, in der sie nur Unrecht begehen kann, das die daran Beteiligten fürs Leben verwüstet.

Das in der politischen Rechtfertigung übliche Argument, es handle sich um "Kollateralschäden" hilft dem einzelnen Soldaten wenig, wenn er Unschuldige getötet hat. In diesem Krieg wird auf allen Seiten geschossen, alle Seiten begehen, indem sie zivile Tote in Kauf nehmen, Kriegsverbrechen. Mit zweierlei Maß nennt die US-Politik die einen Verbrechen Verbrechen, die anderen bloß nebenbei angerichtet Schäden, sieht darüber hinweg, dass die Zahl der irakischen Toten, darunter viele, viele Zivilisten, in die Hunderttausende geht, während bisher 3988 (am 15. 3. 2008) Angehörige der US-Besatzung gestorben sind, davon die meisten als Soldaten im Kampf.

Diese Zeugnisse, deren Aufzeichnungen wohl auch demnächst auf www.ivaw.org einsehbar sein werden, sind eine wichtige Ergänzung der einseitigen Berichterstattung durch die Medien, die ja allenfalls
"embedded" oder gar nicht vor Ort sind, und die die Verbrechen, die Iraker an Irakern begehen, wiederkäuen ohne die Verbrechen, die die Besatzung begeht, zu kennen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich halte es für sehr wichtig, die eigene Perspektive immer wieder zu überdenken und zu versuchen, andere Sichtweisen einzunehmen um nicht zu einseitig oder - schlimmer noch - in „Freund-Feind“-Kategorien zu denken.
Ein Maß für alle!!
Dieser Blog gefällt mir sehr gut.