Sollen doch die Flüchtlinge ertrinken, solange sie nicht herkommen. Wären sie geblieben, wo sie herkamen, so wäre sie noch am Leben.
So spräche nämlich der Unmensch. Stattdessen allseits Bedauern, Betroffenheit. Der Pfaffe Gauck am vierten Oktober bei einer Ordensverleihung:
Das alles sagt sich nicht leicht an einem Tag, an dem sich auf einer Insel im Mittelmeer die Leichensäcke meist afrikanischer Bootsflüchtlinge stapeln. Leben zu schützen und Flüchtlingen Gehör zu gewähren, sind wesentliche Grundlagen unserer Rechts- und Werteordnung. Zuflucht Suchende sind Menschen – und die gestrige Tragödie zeigt das – besonders verletzliche Menschen. Sie bedürfen des Schutzes. Wegzuschauen und sie hineinsegeln zu lassen in einen vorhersehbaren Tod, das missachtet unsere europäischen Werte.Nun sind die Leute aber nicht infolge Wegschauens in ihre Seelenverkäufer gestiegen, sondern weil alle weniger lebensgefährliche Wege verbaut wurden. Flüchtlinge sind natürlich nicht "besonders verletzbar", sondern haben besonders gute Gründe zu fliehen. Die Toten - schon seit Jahren jährlich mindestens Tausend im Mittelmeer Ersaufende - verdanken sich nicht in erster Linie der Unterlassung, sondern dem europäischen Grenzschutz in Abwesenheit eines europäischen Einwanderungsgesetzes. Gauck aber bleibt beliebig, konsequenzenlos, gaucksch. Unser Innenminister Friedrich sagt einerseits, so etwas dürfe sich nicht wiederholen, und schlägt andererseits eine Verstärkung von Frontex vor. Wenn man sie nicht aufs Meer lässt, können sie nicht ertrinken, voilà. Und was die bereits in Europa Gestrandeten betrifft: Die seien in Italien gestrandet, und Dublin II bleibe "natürlich" unverändert.
Und wieder spricht - ob Pfaff ob Pudel - der Unmensch.
Die DDR hat bekanntlich ihre Bürger mit einer Mauer daran gehindert, sie nach Westen zu verlassen. Da viele Ingenieure, Lehrer etc. das Land verlassen wollten, ging es bei dieser Mauer ums schiere Überleben als Staat. Die Mauer war dennoch ein großes Unrecht, das dem solchermaßen überlebenden Staat Legitimation nahm. Wer zu fliehen versuchte, konnte erschossen werden.
Bei der Mauer, mit der sich die EU umgibt, handelt es sich um eine Mauer, die Flüchtlinge aussperrt. Beim Versuch, die EU dennoch zu erreichen, sterben jedes Jahr zehn mal so viele Menschen wie an der Mauer, die die DDR gebaut hat, während ihres Bestehens. Die EU kann keineswegs den mildernden Umstand anführen, es gehe um ihre Existenz. Die EU könnte wesentlich mehr Flüchtlinge aufnehmen und die scheinheilige Unterscheidung zwischen "politischen Flüchtlingen" und "Wirtschaftsflüchtlingen" aufgeben.
Gauck und Friedrich sind sich aber über das "Unrecht der DDR" einig. Ein feineres Beispiel für "Balken und Splitter" ist kaum zu finden. In ihrer Konsequenzenlosigkeit (Gauck) oder ihrem Zynismus (Friedrich), hätten sie eigentlich das gesagt haben sollen, was ich den Unmensch anfangs sagen ließ:
Sollen doch die Flüchtlinge ertrinken, solange sie nicht herkommen. Wären sie geblieben, wo sie herkamen, so wäre sie noch am Leben.Etwas Ähnliches haben Vertreter der DDR über die Mauertoten gesagt. Ein Friedrich hätte dem hinzugefügt: "Wir müssen den Bereich vor der Mauer besser bewachen, damit niemand erst zur Mauer gelangt."
"Ja wie können sie das nur vergleichen! Die haben geschossen! Auf ihre eigenen Bürger!"-- Wir dagegen lassen nur Afrikaner und Araber ersaufen (oder verhungern), kein Blut an unseren Händen, tutto a posto.
2 Kommentare:
Man könnte noch die Heuchelei der EU erwähnen. Es war die schwedische Liberale Cecilia Malmström, die für die EU 2010 vereinbarte, Gaddafi 50 Millionen Euro zu zahlen. Aus der beschönigenden Sprache in zutreffendere Sprache übersetzt, geschah das, damit Libyen uns die europäische Mauer sicherer mache.
In ihrem blog, der von Heuchelei nicht frei ist, bezeichnete Malmström 2011 dann Gaddafi als einen der grausamsten Diktatoren der Erde, als die NATO Krieg gegen ihn führte. Mails mit höflichen Fragen, auf schwedisch, werden nicht beantwortet. Cecilia Malmström, zur Rechten Schwedens gehörend, ähnelt sonst wenig Gauck - was die Heuchelei angeht, sind sie sich sehr ähnlich. Oh, wir sind für die "europäische Kultur". Oh, wie wir für die Menschenrechte sind...
...und eine kleine Ergänzung. Counterpunch beschrieb, wie Cecilia Malmström auf die neuen Katastrophen vor Lampedusa reagierte. Was sie "Hilfe" nennt - das System "Eurosur" - ist keine. Der ganze Artikel ist lesenswert, "Greeting Asylum-Seekers with drones", leicht zu finden auf counterpunch, August 2013. Frau Malmström findet es recht humanitär, mit Drohnen Leute aufzuspüren, die nach Europa fliehen wollen. Oh, wie die liberale Malmström für die Menschenrechte ist...
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