Emil Julius Gumbel

Der Heidelberger Mathematiker Emil Julius Gumbel veröffentlichte 1924 die Schrift "Vier Jahre politischer Mord", in der nachgewiesen wurde, dass weitaus mehr Linke von Rechten ermordet wurden als umgekehrt, dass aber die Linken zu weitaus höheren Strafen verurteilt wurden als die Rechten: Die deutsche Justiz hatte zweierlei Maß. Gumbels Schrift änderte daran leider nichts, ihm selbst wurde schließlich auf Betreiben nationalsozialistischer Studenten die Lehrerlaubnis entzogen, er ging ins Exil. Dennoch ist der Nachweis von Ungerechtigkeit kein bloßer Kommentar zur Geschichte, sondern kann hin und wieder etwas ändern, und wäre es nur, weil ein Ungerechter ungern als solcher dasteht.

Dienstag, 29. Oktober 2013

Dregger, zweite Auflage

Dregger? Nur mit halbem Auge las ich Äußerungen eines Herrn Dregger von der Berliner CDU  in einem Interview, in dem es um Flüchtlinge ging; Fazit: Wir machen alles richtig und sind die Guten.  Keine Silbe über das dank seiner Partei (unter Mitwirkung der SPD) zu Makulatur gewordene Asylrecht.
Dregger? Da war doch was: Dregger, Alfred, der bis zuletzt behauptete, die deutsche Wehrmacht sei anständig gewesen; Dregger, der Kommunistenfresser; Dregger, NSDAP-Mitgliedsnummer 7.721.518; Dregger, Befürworter der Berufsverbote; Dregger, Kumpel der Vertriebenenverbände.

 Erinnerungen an eine Kindheit in der hessischen Provinz, in der die CDU anno fips ein Spiel verteilte: "Ritter Alfred jagt den roten Filz".  Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob es möglich war, als "roter Filz" das Spiel zu gewinnen, denn ich habe es nur ein Mal gespielt.  Und richtig, bzw. 'bingo!', wie man sagt: Burkard Dregger,  integrationspolitischer Sprecher der CDU im Ageordnetenhaus Berlin, ist der Sohn von Alfred Dregger. Die Berliner Zeitung hat ihn interviewt  (28. Oktober 2013):

Die Flüchtlinge empfinden das deutsche Asylrecht als ungerecht und fordern Reformen. Ist das nicht legitim?
Wer politischer Verfolgung entkommen ist, der beschwert sich nicht über das deutsche Asylrecht, das ihn gerettet hat. Natürlich lebt man als Asylbewerber nicht wie im Paradies, aber wir haben einen funktionierenden Staat [...] All die linken Gruppen, die diesen armen Menschen einreden, sie würden schlecht behandelt und müssten hier politischen Protest inszenieren, handeln schändlich. Denn sie instrumentalisieren die Menschen, um ihre eigenen Forderungen durchzusetzen und Deutschland schlechtzureden.

Wie schlecht ist ein Land, in dem ein Dregger integrationspolitischer Sprecher einer Regierungspartei ist? Bekannt sind die endlosen Asylverfahren, bekannt die Abschiebungen von Menschen, die zuhause unsretwegen krepieren.  Nicht das deutsche Asylrecht hat die Flüchtlinge gerettet, denn sie haben ja noch kein Asyl erhalten und werden - statistisch gesehen - nur mit kleiner Wahrscheinlichkeit Asyl  bekommen.  Gerettet haben sie allein Glück und Geschick bei der Überquerung des Meeres, vielleicht auch die respektiven Götter des Meeres und der Winde.  Wenn ein Asylbewerber mit Hilfe eines "linken Aktivisten" bemerkt, dass das Grundgesetz ihm einen Schutz zusagt, denn die näheren Bestimmungen und die europäischen Absprachen ihm verwehren, soll der schön klein bleiben, denn er ist ja Bittsteller? Ja, er soll.  Wie ja überhaupt das Wort "Integration"  (Integration - nein danke!) eine Herrschaftsgeste impliziert, die nicht von Zusammenleben, sondern von Unterordnung handelt.
Wie er es findet, dass für die Flüchtlinge vom Oranienplatz eine Winterunterkunft besorgt wird?
 Ja, das ist angesichts sinkender Temperaturen eine gute Lösung. Das ist ein Zeichen christlicher Nächstenliebe, eine Rechtspflicht zur Unterbringung gibt es jedoch nicht.
Umso schlimmer für das Recht. "Christliche Nächstenliebe" muss halt immer explizit als Almosen kommen: Du, lieber Neger, hast hier kein Recht auf Unterkunft, merk dir's! Und nun nimm unsere christliche Nächstenliebe an! Ein würdiger Exponent des deutschen Pfaffengeistes, wie man ihn auch vom Präsidenten kennt:  Weitgehende Rechte für die Schwachen, Verfolgten, Armen, i wo! Wir verweigern ihnen mit Tränen in den Augen die Rechte, sind aber dann - sieh doch, wie gut wir sind! - gerne bereit, ihnen Wolldecken zu bringen. Da, eine Wolldecke, damit du siehst, dass wir gar nicht so sind. Sag schön danke.    -- Aber dann hergehen, und sich politisch engagieren, unerhört.  Ja, wenn die sich etwa im Sudan engagiert haben, das war freilich edel, aber hier, tout va bien dans le meilleur des pays. Christliche Nächstenliebe verpflichtet uns  - au fond - zu nichts, zu gar nichts. Die Tränen in den Augen genügen Gott als Beleg für unser untadeligen Herzen.
Die Lampedusa-Flüchtlinge sind von Italien aufzunehmen und zu versorgen. Wir können dabei unbürokratisch helfen. Aber auch hier gilt: Wenn wir die internationalen Vereinbarungen - insbesondere mit Italien - nicht durchsetzen, werden sie gegenstandslos, und es wird Nachahmungen geben. Das können wir nicht wollen.
Wir können unbürokratisch helfen, werden aber keinen Millimeter über unsere vertraglichen Verpflichtungen hinausgehen. Das ist natürlich ebenso bürokratisch wie unchristlich gedacht. Schläft ein Dregger schlecht, wenn dieser oder jener erst aus Deutschland in ein Drittland, von dort in sein Herkunftsland Abgeschobene daran zugrunde geht?   Dregger schläft gut, kein Zweifel.  Die Verträge, die heiligen Verträge, die die Flüchtlinge wie heiße Kartoffeln weiterreichen, gelten. Basta. Wie ja auch die deutschen Soldaten, so Dregger Alfred, auf Befehl und den Gesetzen gemäß gehandelt haben, als sie etwa 1941 Zehntausende serbischer Zivilisten erschossen.

Wenn die Pubertät ausbleibt, kann es passieren, dass Söhne ihre Väter einfach kopieren. Ach ja, auch der Dregger Burkard macht in Vertriebenen. Und zum Abschluss noch eine Passage aus einem weiteren Interview, das er der  Berliner Zeitung  2010 gegeben hat (17.08.2010):

Die Frage ist, was eine Stadt, in der Zuwanderer aus 186 Ländern leben, zusammenhält. Was kann die Menschen dieser Stadt verbinden und verhindern, dass sie ihr Tun an ihrem persönlichen Vorteil ausrichten? Das können nur unsere Grundsätze des sittlichen Zusammenlebens sein, Ergebnis einer zweitausendjährigen deutsch-europäischen Kulturgeschichte, die im Grundgesetz festgeschrieben sind, die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Religionsfreiheit - davon erzähle ich meinen Kindern jetzt im Grundschulalter, dafür werbe ich auch bei Zuwanderern. Ich liebe Deutschland und ich möchte, dass sich auch Zuwanderer mit unserem Land identifizieren. Meine Gespräche in Neukölln haben ergeben, dass die Zuwanderer sich von den Deutschen mehr Stolz auf ihr Land wünschen. Sie sind erstaunt, dass man hier so wenig Wert auf eine eigene Kultur und Identität legt. 

Ähem, mit Verlaub, also, die deutsch-europäische Geschichte und ihre Grundsätze, also meinen's jetzt die Bauernkriege oder doch den zweiten Weltkrieg oder den ersten? Und andererseits passt's ihm ja nicht, wenn Flüchtlinge sich aufs Grundgesetz berufen. War wohl dann ein bisschen viel der Identifikation.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich kann immerhin, das wird Herrn Dregger nicht gefallen, aus Hamburg berichten, daß am 2.11. trotz leichtem Regenwetter und allen möglichen Versuchen der Presse, die Demo zu kriminalisieren (Hamburger Abendblatt zeigte "subtil" nur Autonome in ihrem Artikel vor der Demo) - 15 000 Menschen für "Lampedusa in Hamburg" auf die Straße gingen. Und das trotz verwirrender und unwahrer Meldungen in den Medien, viele der 350 Kriegsflüchtlinge aus Libyen hätten das "Duldungsangebot" akzeptiert. Duldung heißt - morgen können wir dich wieder ausweisen. Die Polizei schikanierte die durch unseren Nato-Krieg zur Flucht getriebenen Leute, wo sie nur konnte. Überraschenderweise solidarisierte sich in Altona sogar die CDU mit der Linkspartei, und verließ aus Protest einen Saal, weil die SPD so unsäglich und ausländerfeindlich argumentierte...

Fast denk ich mir, da es in Hamburg nicht zu einer Verkleinerung der Unterstützung kam (am 17.8. waren wir rund 3 500), wie viele Medien gehofft hatten - daß vielleicht eine gesamtdeutsche Demonstration in Hamburg stattfinden sollte, zu der aus Berlin und überallher alle kämen, um auf die groteske Flüchtlingspolitik aufmerksam zu machen.
Gut denkbar, daß wir da 100 000 werden würden, 20 000 aus Berlin, 15 000 aus Hamburg, usw... Hamburger Privatdüdelradios meldeten im September, 80% der Hamburger wären für eine Ausweisung der Flüchtlinge. Reine Propaganda....wie sich zeigte und zeigt.
Übrigens spendierte die schwedische Politikerin Cecilia Malmström für die EU 2010 Gaddafi noch 50 Millionen Euro an EU-Geldern - damit er uns die Flüchtlinge vom Hals hielte. (Man nannte das natürlich "aus humanitären Gründen"). 2011 dann bombardierte die NATO Libyen, und all die Intellektuellen, die eifrig dazu aufriefen, sind heute schweigsam, wenn es darum ginge, zu zeigen, wie "demokratisch, frei und sicher" (??) Libyen nach den Bomben wäre... Zyniker, die niemand mehr fragt. Es scheint, der Widerstand wächst aber.