Um die Wahrheit zu sagen, ich habe keine Ahnung, und auch meine syrischen Bekannten steigen nicht durch. Er hat aber offenbar eine gute Werbeagentur, was noch nicht gegen ihn spricht, denn à la guerre comme à la guerre. Merkwürdiger ist dann schon, dass die Presse und die Internetpublikationen, die offenbar ebensowenig Informationen wie ich haben, so fest zu wissen glauben, dass es sich um die Guten handelt, nur weil Assad ein Böser ist.
Es mag aber komplizierter sein. Haitham Maleh, Mitglied des Exekutivkomitees des syrischen Nationalrats, gab dem Telegraph ein
Interview, das heute (8.2.) veröffentlicht wurde. Darin sagt er unter anderem:
"Assad and his family will be killed in Syria, their next steps will be very bloody," he said. "Two months ago we offered him the option to leave us alone and go but instead he went for the blood of his people. The end for him will be that he is killed like Gaddafi."
So spricht der human rights activist. Es ist unklar, ob er diesen Satz bloß beschreibend sagt oder wünscht, dass es so kommen möge. Das wird im Folgenden klarer:
The 80-year old dissident rebuffed Russian attempts to broker talks with the regime to end spiralling violence. "Talks will not happen. How can we have dialogue with a criminal regime, we can't do it now," Mr Maleh, a founding member of the executive committee of the SNC, said. "The game is over. How can we talk with a person who has put a pistol to our heads. It is impossible to make dialogue with this person.
"Talks will not happen." Zumindest ist soviel sicher, dass Maleh lieber beliebig viele Tote riskiert, als einem Kompromiss zuzustimmen, der natürlich das Risiko birgt, dass sich das Regime wieder erholt - so wie ein zu Ende geführter Bürgerkrieg das Risiko birgt, dass keineswegs die Opposition gewinnt, sondern die bewaffneten Gruppen mit den besten Verbündeten. Aus Libyen erreichen uns Bilder von grinsenden Männern mit Maschinengewehren und die Nachricht von großen Kriegsverbrechen, die die libyschen Rebellen begangen haben und Verbrechen, die sie noch begehen. Die Stadt Tawergha haben sie in summarischer Bestrafung 'Dunkelhäutiger' für unterstellte Vergewaltigungen in eine Geisterstadt verwandelt. Et cetera. Die Gewalt ist also durch die Gewalt, unterstützt von Nato-Gewalt umgekommen, jetzt herrscht wieder die Gewalt. Zivilisten sind scharenweise dabei gestorben, obwohl es doch laut 'spin' allein um den Schutz von Zivilisten ging. Jetzt erst wieder kann man lesen, was die Rebellen getan haben, während des Krieges las es sich wie jetzt.
"Talks will not happen." Wunderbar, so ähnlich spricht möglicherweise Assad. Denn Leute wie Maleh "put a pistol to his head".
Was ist der Unterschied zwischen einem Bürgerkrieg und einer Revolution? (Ich bin sicher, es gibt einen.) Was ist ein Regimewechsel gegen Despoten wert, wenn sich die andere Seite auf Gewalt festlegt, statt auf Recht? "Assad wird sich vor Gericht verantworten müssen." wäre ja beispielsweise auch ein Satz gewesen.
Viele der syrischen Oppositionellen, die lange schon auf ein Ende dieses Regimes hoffen, setzen nun nolens volens auch Hoffnungen in den Syrischen Nationalrat. Sie werden, wie ich fürchte, missbraucht. Was ist eigentlich an dem russischen Einwand auszusetzen, dass eine UN-Resolution alle Seiten auffordern müsse, die Waffen niederzulegen?
Antwort: 1. Dass er nicht von uns kommt. 2. Dass "regime change" schon lange auf unserer Wunschliste steht, und was kümmern uns schließlich die dafür Sterbenden? Allenthalben wird von Russlands eigennützigen Motiven gesprochen, was zu guten Teilen stimmen mag, aber doch brechreizerregend selbstgefällig ist. Uns ginge es demnach nur um die Menschenrechte? Eine Gegenfrage sei allen Kriegstreibern gestellt: Was ist entwicklungsfähiger, Krieg oder Frieden?
Ja, kann man den aber mit solch einem Regime verhandeln? Durch Erwähnen etwa Hitlers wird klar, dass man nicht mit jedem Menschen verhandeln mag. Alle Maßstäbe wären aber zerbrochen, wenn man einen kontrollfixierten Despoten, der sicher viele Verbrechen auf sich geladen hat, mit dem König aller Massenmörder vergliche. Ja, wenn man einen friedlichen Übergang anstelle eines Bürgerkriegs bekommen könnte, dann wäre es gut zu verhandeln, auch mit Leuten, die man verabscheut.
Vielleicht gelingt Syrien eine Revolution. Wenn sich diejenigen Mitglieder des syrischen Nationalrats, die nach einer "Flugverbotszone" (obwohl weit und breit keine Flugzeuge verwendet werden) rufen, durchsetzen, wird Syrien,wie ich fürchte, um seine Revolution betrogen und stattdessen einen Bürgerkrieg haben, der irgendwen nach oben schwemmt. Kennen Sie viele Bürgerkriege, die ausgerechnet die Rechtschaffenen nach oben getragen haben?
Der syrische Nationalrat verbreitet nun auch die Meldung, die Iraner seien bei der Unterdrückung des Aufstands aktiv. Das klingt nun auch wieder sehr nach Werbeagentur. Denn wenn stimmt, was alle glauben, hat Syrien eine Nachhilfe in Sachen Militär, Polizei und Geheimdienst wohl kaum nötig.
Die fatale Entwicklung der UN vom Friedensgaranten ("ja, in Bosnien haben die Blauhelme versagt") zum Kriegslegitimierer lässt Freunden des Völkerrechts und des Friedens keine andere Wahl, als über Russland und China, unabhängig von deren Motiven, erleichtert zu sein.
Tawergha. Tawergha. Tawergha.
Haben Sie auch schon Artikel gelesen, die keinen Zweifel daran lassen, was das Richtige in Syrien ist und die dann schließen mit der Bemerkung, dass sich die Angaben der Opposition nicht überprüfen lassen? Nichts von dem hier gesagten lässt sich überprüfen. Nichts von dem, was sie sonst lesen, lässt sich überprüfen. In Syrien sagte vor zwei Jahren ein Bekannter: Ihr im Westen glaubt ja alles, was in den Zeitungen steht, wir hingegen glauben grundsätzlich nichts. Von Syrien lernen.