Emil Julius Gumbel

Der Heidelberger Mathematiker Emil Julius Gumbel veröffentlichte 1924 die Schrift "Vier Jahre politischer Mord", in der nachgewiesen wurde, dass weitaus mehr Linke von Rechten ermordet wurden als umgekehrt, dass aber die Linken zu weitaus höheren Strafen verurteilt wurden als die Rechten: Die deutsche Justiz hatte zweierlei Maß. Gumbels Schrift änderte daran leider nichts, ihm selbst wurde schließlich auf Betreiben nationalsozialistischer Studenten die Lehrerlaubnis entzogen, er ging ins Exil. Dennoch ist der Nachweis von Ungerechtigkeit kein bloßer Kommentar zur Geschichte, sondern kann hin und wieder etwas ändern, und wäre es nur, weil ein Ungerechter ungern als solcher dasteht.

Freitag, 27. August 2010

Die Crux, S. nicht zu erwähnen

Ich will nämlich S. nicht erwähnen, einen bekennenden Rassisten, der nach jeder seiner Einlassungen in einer ersten Welle Kritik, in einer zweiten dagegen Unterstützung zu hören bekommt, stets nach dem gleichen Muster. Man könnte gut die alten Artikel dazu wiederverwenden.
Ich will seinen Namen nicht erwähnen, weil ich dazu beitragen könnte, dass Google alles ihn Betreffende höher bewertet. Ich will nicht zur Steigerung der Auflage seines Buches beitragen. Er soll seine Meinung ruhig sagen, aber schön, wo sich's gehört, in schäbigen Räumen, die die örtliche NPD anmietet, nicht im Haus der Kulturen der Welt. Das ganze Gift befruchtet doch keine Debatten, wo denken sie hin! Mit solchen Büchern kann man Geld verdienen. ('Es lohnt sich allemal mehr, eine peppige Hetzschrift auf den Markt zu werfen als einen Gemüseladen zu eröffnen.')


Worum geht es der zweiten Welle, der Kritikenkritik? 'Er sage ja nur, was viele dächten; er spreche Probleme an, die nun einmal bestünden.' Dass er aber von genetisch bestimmter Dummheit gewisser Einwanderergruppen spricht oder die Gefahr ihrer übergroßen Vermehrung beschwört, ganz unappetitliches Zeug also, wird in der zweiten Welle ignoriert. Man muss den Wortlaut ja auch ignorieren, wenn man den Mann schönreden will. Warum aber will man ihn schön reden?

Weil dieser Rassismus, wenn es gegen Türken und Araber geht, in der Mitte der Gesellschaft, gern auch bei dem für aufgeklärt sich haltenden Bildungsbürgertum populär ist. Beliebt auch pseudoaufklärerische Begründungen 'Der Moslem ist gegen die Frau, also bin ich gegen den Moslem.' Aus dem Nationalsozialismus haben wir demnach gelernt, dass wir gegen alle sein dürfen, die uns nicht passen. Roma, die immer mal wieder gerne mit kriminalbiologischen Thesen bedacht werden, in das Niemandsland Kosovo ausweisen? Kein Problem. Die Gefahr des Islam beschwören? Von 'Unterschichten' reden und diese verachten? Klar. Die Türken für dumm und Gemüsehändler für nutzlos erklären? Selbstverständlich.

Aber wir sind ja alle gegen Neonazis. Und wir würden auch nie mehr die Juden Europas ermorden, selbst wenn sie uns ließen.

Es wird auch gelegentlich so getan, als habe sich der moderne Antisemitismus nur aus dem Neid aufs jüdische Bürgertum gespeist. Was war aber mit den bettelarmen polnischen Juden, die, wenn sie nach Deutschland ausgewandert waren, allenfalls kleine Lädchen eröffneten, und ansonsten einen fremdartigen und altmodischen Eindruck machten? Gegen diese armen Juden, ihre Lädchen, ihre religiösen Gebräuche und ihre Kleider zu hetzen gehörte gerade so zum Antisemitismus wie die Angriffe auf Kaufhausbesitzer oder Politiker. Und dieser Teil der damaligen Hetze erinnert leider-leider an manches Heutige. Was haben sie nicht alles Wolfgang Benz an den Kopf geworden, weil der Antisemitismus-Forscher sich über die Islam-Feindschaft Sorgen machte, nicht weil er leichtfertig und großmäulig X und Y gleichsetzt, sondern weil ein an einem Hass und dessen katastrophalen Folgen geschultes Bewusstsein zwangsläufig auch bei anderen Formen des Hasses hellhörig wird. Und manchmal mag eben ein Wissenschaftler hoffen, nicht nur wie die Eule der Minerva, wenn alles vorbei ist, über die Gräber zu fliegen, sondern vorher noch etwas zu ändern.

Ein Freund hat kürzlich mit einem Araber geredet, der sich erst gewissermaßen entschuldigt hat, dass er ein Moslem sei. Nicht dass Sie mich jetzt für einen solchen Menschen halten, wie man ihn hier nicht gebrauchen kann.

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